«Wir müssen geduldig sein wie der Sämann»

Interview mit Jaime Castillo, Bischof des Apostolischen Vikariats von Zamora/Ecuador

Missio: Wie geht es der Kirche im Apostolischen Vikariat heute?

Bischof Jaime: Das Apostolische Vikariat Zamora hat seine Ursprünge in der typisch franziskanischen Missionsarbeit. Das zeigt sich deutlich in der Arbeit, die die franziskanische Gemeinschaft in der Region leistet, und in der Spiritualität des Vikariats.

Das Vikariat erstreckt sich über 8’000 km². Es ist das Gebiet, in das die Missionare vorgedrungen sind. Heute kommen die Priester aus Kolumbien, Polen, Peru, aber natürlich auch aus Ecuador, insbesondere aus der Diözese Machala, die uns am nächsten liegt (etwa eine Autostunde entfernt).

Missio: Wie viele Priester stehen im Dienst des Vikariats? Für wie viele Pfarreien?
Wie beteiligen sich die Gläubigen?

Bischof Jaime: Das Vikariat hat 26 Priester für die 22 Pfarreien. Wir dürfen auch auf die missionarische Arbeit der Ordensfrauen und Laien zählen, die in den verschiedenen apostolischen Gruppen engagiert sind. Die Ordensfrauen engagieren sich im Unterricht und in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, in der Missionsarbeit in den Pfarreien und, je nach ihren Charismen, in der Arbeit mit unseren indigenen Brüdern und Schwestern.

Missio: Wie begleiten Sie die indigene Bevölkerung des Vikariats unter Wahrung ihrer Traditionen?

Bischof Jaime: Am Ende dieses Monats sind es zwei Jahre her, seit ich in diesen Teil Ecuadors gekommen bin. Da ich aus Loja stamme, kannte ich die Kultur der Shuar kaum. Für mich war die Arbeit mit diesen indigenen Gruppen daher etwas ganz Neues. Ich kannte ein wenig die Kultur der Saraguros, die Kultur der anderen ethnischen Gruppe im Vikariat.

Um gut mit unseren indigenen Brüdern und Schwestern kommunizieren zu können, muss man ihre Sprachen kennen. Das ist eine grosse Herausforderung und es ist meine Pflicht, ihre Sprachen zu lernen. Ich besuche ihre Gemeinden, indem ich spontan auf sie zugehe und so immer mehr über ihre Kulturen erfahre. Sie selbst können ihre oft so weit entfernten Gebiete nicht verlassen. Ich bin es, der raus muss aus dem Bischofshaus, wo ich lebe. Das ist die grösste Herausforderung für mich!

Diese Brüder und Schwestern haben einen sehr tiefen Glauben, der auf ihre Weise geformt

wurde; das müssen wir wissen und akzeptieren. Wir sind dazu aufgerufen, ihnen zu begegnen, sie in ihren Kulturen wertzuschätzen und zu wissen, wie wir sie in ihrer eigenen Realität unterstützen können. Sie sind die Vergessenen der politisch-administrativen Kreise und der zivilen Behörden.

Durch meine Präsenz als Bischof, durch die Präsenz von Priestern, Ordensfrauen, Laien, von uns allen, die wir den Auftrag haben, Jesus Christus gegenwärtig zu machen, geben wir unserer Überzeugung Ausdruck, dass Gott selbst in ihnen gegenwärtig ist. Mit ihrer geringen Zahl, ihrer Bescheidenheit und ihrer Armut sind sie für uns Zeichen, um zu verstehen, wo Gott wirklich Fleisch wird. Jesus Christus fordert uns immer wieder auf, denen Aufmerksamkeit zu schenken, die weniger haben, sei es materiell oder spirituell. Daher glaube ich, dass die grosse Herausforderung für uns Missionare in dieser Region darin besteht, die Traditionen, das, was diese Brüder und Schwestern leben, zu schätzen, wobei wir uns bewusst sind, dass wir in einer globalisierten Welt leben, in der es nicht immer möglich ist, die Harmonie zwischen dem Globalen und dem Besonderen zu finden. Wir sind auch von Vorschlägen bedroht, die vorgeben, global zu sein, aber die lokalen Güter der einzelnen Gemeinschaften verletzen.

Missio: Was können wir von diesen indigenen Kulturen lernen?

Bischof Jaime: Die Kulturen der Saraguro- und Shuar-Gemeinschaften, die in unserem Vikariat leben, betonen stark den Gemeinschaftssinn. Wir versuchen derzeit, die Vorschläge des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Synodalität auf allen Ebenen der katholischen Kirche konkret umzusetzen. Sind in diesem Zusammenhang unsere indigenen Gemeinschaften, die alles als Gruppe entscheiden, ihre vorrangigen Bedürfnisse gemeinsam festlegen, gemeinsam beten und zusammen Mahlzeiten organisieren, also nicht von grossem Wert für uns als Mestizenvolk und sollten sie uns nicht inspirieren? In unserem Vikariat sind diese Gemeinschaften zwar nicht in der Mehrheit, aber sie sind in all unseren pastoralen Anliegen präsent.

Missio: Was sind die Herausforderungen für die Kirche jetzt und in der Zukunft?

Bischof Jaime: Bei der Versammlung auf Vikariatsebene haben wir das Volk Gottes auf dem Weg und die Kommissionen, die für den pastoralen Weg zuständig sind, gebeten, drei grosse Herausforderungen für das laufende Jahr zu definieren. Es sind Herausforderungen, die es uns ermöglichen werden, das Evangelium bei unseren Brüdern und Schwestern und in unseren Gemeinschaften auszusäen. Eine Aussaat, die verspricht, Bestand zu haben! Wir müssen geduldig sein wie der Sämann, um uns nicht in Illusionen zu verlieren, falsche Erwartungen zu wecken. Wir wissen, dass das Evangelium mit Bescheidenheit wirkt.

Wir richten unsere Aufmerksamkeit prioritär auf die Familie. Wie überall und ganz besonders in unserem Vikariat ist der Lebenskern, der von der Familie – dieser Schule des Lebens – gebildet wird, ernsthaft bedroht. Viele Paare messen der Ehe nur einen sehr geringen Wert bei. Es gibt viele sehr junge alleinstehende Mütter, dreizehn- oder vierzehnjährige Mädchen, die Mütter werden und nichts haben für den täglichen Lebensunterhalt. Der Wert der Familie, die Achtung vor dem Leben, die Betreuung von Jugendlichen und älteren Menschen sind grosse Herausforderungen. Die Familie ist nicht nur dazu da, sich um Neugeborene und Kinder zu kümmern, sondern eben um alles, was zum Leben gehört; dafür sind wir alle verantwortlich.

Caritas, die Sozialpastoral, ist eine weitere Priorität. In unserem Apostolischen Vikariat können wir Gott sei Dank auf die anderen Katholiken zählen, auf Missio in der Schweiz, auf die engagierten Katholiken in der Welt, die immer da waren, im Gebet und mit finanzieller Unterstützung. Sie haben uns viel gegeben, sie haben uns sehr unterstützt. Durch die Caritas wird der Glaube, den wir leben und feiern, zu einem konkreten Engagement. In der Versammlung unseres Vikariats haben wir gesagt, dass jede Pfarrei sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um ihre eigene Armut kümmern muss.

Eine weitere wichtige Aufgabe in unserem Vikariat ist die Arbeit mit Jugendlichen. In Zamora stellen wir seit langem einen Bruch in der Weitergabe des Glaubens an die Kinder durch die Eltern fest. Angesichts dieses Bruchs in der Glaubensweitergabe müssen wir dafür sorgen, dass die Jugendlichen im Laufe der fünfjährigen katechetischen Ausbildung und Glaubenserziehung verstehen, dass gerade sie zur Weitergabe des Glaubens beitragen können, dass sie ein neues Licht sein können.

Missio: Lassen Sie uns über den Schutz der Natur sprechen: Warum ist es so wichtig, sich dafür einzusetzen, insbesondere als Kirche?

Bischof Jaime: Wir haben riesige Gebiete, deren Boden grosse Reichtümer birgt: Öl und Gold veranlassen viele Menschen, danach zu suchen. Die lateinamerikanische Tradition ist sehr offen für das Konzept des «gemeinsamen Hauses». Papst Franziskus trägt auf vorausschauende Weise dazu bei, diese Thematik in den Vordergrund zu rücken. Als Lateinamerikaner versteht er sehr gut, dass das Amazonasgebiet die Lunge der Welt ist. Die von ihm einberufene Amazonas-Synode hat unsere Sensibilität und unser Engagement in Bezug auf den Schutz der Natur wachsen lassen.

Wie packen wir diese Frage an? Unser Engagement ist sehr bescheiden und wenig sichtbar. Die Gesetze auf nationaler Ebene begünstigen die Ausbeutung von Gold und Öl. Die Präsenz und die Stimme der Kirche werfen aber ein anderes Licht auf das, was diese Gesetze ermöglichen. In unserer katechetischen Arbeit versuchen wir, Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden zu zeigen, dass wir alle aufeinander angewiesen sind.

Mit der Amazonas-Synode und der Enzyklika «Fratelli Tutti» sagt uns Papst Franziskus, dass die Welt miteinander vernetzt ist. Alles ist synchronisiert. Unser gemeinsames Haus, unsere Mutter Erde, stirbt, und wir sterben mit ihr. Als Kirche müssen wir unsere Kinder und Jugendlichen dazu erziehen, unser gemeinsames Haus, unsere Bäume, unsere Felder und unsere Flüsse zu respektieren. Eine nachgiebige Haltung gegenüber Personen, die Naturgüter ausbeuten, beeinträchtigt das Gemeinwohl.

Missio: Wie erleben Sie im Vikariat Zamora die laufende Synode?

Bischof Jaime: Es ist ein ziemlich komplizierter Weg. Zunächst einmal, weil die Einberufung der Synode über die Synodalität hier in Lateinamerika spät erfolgte. Die Eröffnung und ihre Eucharistiefeier fanden im kleinen Kreis statt. Es war schwierig, sich im Vikariat selbst zu bewegen, obwohl die Dynamik einer Synode ja gerade die Begegnung, die gegenseitige Konsultation beinhaltet. Es war also kompliziert für uns.

Die anschliessenden Konsultationen brachten uns nicht in allen Bereichen weiter. Ich erinnere mich noch gut an die vorsynodale Versammlung, die wir in unserem Missionszentrum abhielten. Die Pastoralmitarbeiter hatten das Gefühl, dass es ihnen gelungen war, inhaltlich dort anzukommen, wo wir hinwollten. Die Ergebnisse waren dennoch recht unauffällig. Uns wurde bewusst, dass wir als Gläubige nicht getrennt voneinander leben können, sondern dazu berufen sind, in der Gemeinschaft des Glaubens und der Nächstenliebe zusammenzuleben. Als Gläubige müssen wir konkrete, grundlegende Entscheidungen treffen. Die Teilnahme und Mitverantwortung an der Mission gehen uns alle an. Unser Herz wollen wir mit Hilfe des Heiligen Geistes im Rhythmus unseres Engagements schlagen lassen.

Der Beitrag unseres Apostolischen Vikariats Zamora war daher bescheiden und unauffällig, aber wir haben uns zumindest die nötige Zeit genommen. In diesem Prozess hatten wir uns der Amerikanischen Synodenversammlung angeschlossen. Auf ihrem Hintergrund nahm denn auch unser Pastoralplan Gestalt an. Er bestimmt und erleuchtet unsere missionarische Arbeit.

Missio: Wie inspiriert sie das Thema des Sonntags der Weltmission 2023 «Brennende Herzen, begeisterte Schritte»?

Bischof Jaime: Ich finde die Überlegung sehr bewegend, weil sie uns dazu auffordert, über die Realitäten unseres Lebens nachzudenken. Es ist die Rede von «Herzen» und «Schritten» und wie diese beiden Teile unseres Körpers qualifizieren: «brennend» und «begeistert». Es wird also die Rede sein von «Herzen», die mit Glauben gefüllt sind, die vom Evangelium begeistert sind, die von Gott innig berührt werden, die mit Frieden, Leben und Engagement gefüllt sind, und uns dazu bringen, auf andere zuzugehen, uns auf den Weg zu machen, uns auf den Weg der Mission zu begeben. Sind wir bereit, uns auf den Weg zu machen, nicht stehen zu bleiben, auf die Hoffnung zu vertrauen? Alles, was wir aus unserem Glauben heraus tun können, kommt von Gott, der uns leitet, der uns den Weg zeigt, der durch seinen Heiligen Geist in der Messe lebendig ist.

Missio: Was bedeuten «brennende Herzen» und Spiritualität für Sie?

Bischof Jaime: Es gibt existenzielle Orte, an denen ein Bischof für sich selbst und für andere von lebendigen Realitäten zehren kann. Eine unverzichtbare Quelle ist die tägliche Beziehung zum Herrn, d.h. das Gebet, die vertrauensvolle Beziehung zum Wort von Jesus-Christus, der uns tröstet und uns befähigt, Sauerteig in der Welt zu sein. Das tägliche Gebet darf also nicht vernachlässigt werden, denn für uns Gläubige bedeutet die Beziehung zu Jesus, zum fleischgewordenen Wort, dass wir uns mehr als Frauen und Männer fühlen, als Frauen und Männer, die bereit sind, so zu leben, wie Er es will.

Eine weitere lebendige Realität ist die geschwisterliche Beziehung zu den Menschen, mit denen wir zusammenleben. Es ist sehr wichtig, jeden Tag die Freuden und Ängste mit den Priestern teilen zu können, mit denen ich in unserem Haus lebe.

Dasselbe «Teilen» praktiziere ich auch mit meinen Brüdern im Bischofsamt. Wir öffnen unsere Herzen leichter für diejenigen, die die gleiche Reise, den gleichen Weg wie wir machen. Für mich sind es diejenigen, die das bischöfliche Amt wie ich innehaben, die die Freuden und Leiden, die es mit sich bringt, besser verstehen können.

Als Bischof werde ich durch das evangelisiert, was ich mit dem Volk Gottes teile. Wenn ich eine Gemeinde besuche, wenn mich jemand um einen Segen oder eine Beichte bittet, muss ich Geduld zeigen, Seelsorger sein, ohne jegliche Diskriminierung. Jeder Mensch hat seine Würde. Ich bin dazu berufen, meine Zeit, meinen Dienst zu 100% zu schenken! Diese Nähe zum Volk Gottes macht uns zu Hirten und bringt uns Freude.