Sechs Zeugnisse zum missionarischen Engagement in der Weltkirche

Mission ist vielfältig

Mission ist vielfältig, so vielfältig wie unsere Welt. Diese Vielfalt möchten wir mit sechs Zeugnissen von engagierten Frauen und Männern aus allen Kontinenten zeigen. Es sind Frauen und Männer aus der Weltkirche, die Missio auf ihren Reisen kennengelernt hat, oder die in der Schweiz tätig sind.

Schwester Lorena Jenal – Papua-Neuguinea

«Niemand hat alles, aber alle haben etwas!»

Sr. Lorena Jenal ist Baldeggerschwester – ein Schweizer Frauenorden der grossen Franziskanischen Familie. In Samnaun geboren, wirkt die siebzigjährige Ordensschwester seit 1979 in den Southern Highlands von Papua-Neuguinea. Seit einigen Jahren hat sich zu allen anderen Herausforderungen in dieser Region die Hexenverfolgung gesellt. Auf Vorschlag von Missio in Aachen wurde Sr. Lorena 2018 für ihren Einsatz zugunsten der Opfer der Hexenverfolgungen mit dem Weimarer Menschenrechtspreis ausgezeichnet. Für die Kampagne des Monats der Weltmission 2007 hat Missio Schweiz im Herbst 2006 Sr. Lorena und ihre Mitschwestern vor Ort besucht.

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«Niemand hat alles, aber alle haben etwas!»

Als ich 1979 zum ersten Mal nach Papua-Neuguinea reiste, wusste ich nur eines: Ich hatte als Missionarin eine Botschaft zu verkünden, eine Botschaft von Lebensfreude und Leben in Fülle. Bei meiner Ankunft erlebte ich im wahrsten Sinn des Wortes Männer, Frauen und Kinder in der Steinzeit; zu Gemeinschaft fähige Menschen in der Begegnung, Beziehung und Berührung miteinander und aufeinander zu. Es kam unendlich viel Unerwartetes, Befremdendes und Ungewöhnliches, verbunden mit Ängsten, auf mich zu.

Die paradiesische Schönheit des Landes mit den 820 Sprachen war nur eine der vielen Herausforderungen. Papua-Neuguinea ist nicht nur reich an Sprachen, es ist auch reich an Bodenschätzen: Gold, Kupfer, Chrom, Öl, Gas, Erdgas und Palmöl. Der Fischfang zur Selbstversorgung, die Kaffeeplantagen und Teefelder, der Reichtum an Obst und Gemüse und die 45 verschiedenen Sorten der Süsskartoffel weisen auf die Fruchtbarkeit des Landes hin. Papua-Neuguinea besitzt die schönsten Regenwälder der Welt und die Paradiesvögel gehören zu den Schönsten der Erde!

Die Papuas sind herzlich, gastfreundlich, lieben den Tanz und die Feste. Diese Menschen im Paradies – wie ich es einmal nenne – wurden aus der Steinzeit herausgerissen und über Nacht mit dem Flugzeug und modernster Technologie konfrontiert. Heute geht es um die digitale Vernetzung, bei der vielfach das Menschliche verloren geht.
Die Entwicklung hin zur Moderne, die mit der Tradition und Kultur nicht übereinstimmt, hat viele soziale Probleme mit sich gebracht: Alkohol, Drogen, Prostitution, sexueller Missbrauch, HIV/AIDS und Korruption. Dazu kommt seit August 2012 das Hexenphänomen, das ich als Hexenwahn bezeichne; eine Herausforderung die uns alles abfordert, wollen wir den Menschen doch Leben in Fülle, Gerechtigkeit und Frieden, sowie menschliche und christliche Werte und Rechte vermitteln.

Getauft und gesandt
Als Getaufte sind wir alle ohne Ausnahme missionarisch. Auch unsere Ortskirche bleibt weltweite, missionarisch geprägte Kirche. Überall auf der Welt haben wir eine gemeinsame Aufgabe: Leben in Fülle, Liebe in Fülle und Licht in Fülle zu schenken. Taufe bedeutet für mich, in den Urstrom, in die Urquelle des Lebens hineingetaucht zu werden. Diese Quelle hört nie auf zu fliessen, zu beleben, zu erneuern und zu erfrischen. In Papua-Neuguinea, wo wir es mit so vielen Ängsten und Bedrohungen zu tun haben, ist die Verkündigung wirklich etwas Befreiendes: Unsere Welt mit ihrer Gewalt und ihrem Terror braucht eine befreiende, frohmachende Botschaft, die nie eine Drohbotschaft werden darf.

Gerne denke ich in diesem Zusammenhang zurück an eine ganz spezielle Taufvorbereitung zu Beginn meines Wirkens in Papua-Neuguinea: Der Mann hiess Sia; er war ein wichtiger Dorfchef. Er liess sich auf den Namen Abraham taufen und wurde für mich zu einem Propheten: Er hat mir die Augen für Weite und Freiheit geöffnet; er hat mir geholfen, die Kulturen und Traditionen in der grossen Liebestradition von Jesus Christus zu sehen, der Weg, Wahrheit und Leben ist.
Nie vergesse ich, wie Sia vor mir stand und mich anwies, ihn auf die Taufe vorzubereiten. Damals war ich sehr unsicher: Alles war so anders, neu und fremd! Ich erklärte ihm, dass für seine Taufvorbereitung eine Person mit mehr Erfahrung als ich besser sei. Doch Sia beharrte auf seinem Standpunkt und meinte, dass ich ihm als junge Schwester respektvoll zu gehorchen hätte. So begann eine Taufvorbereitung, die fast sieben Jahre dauerte und für mich bis heute den Höhepunkt einer Taufe versinnbildlicht. Sia wurde im Fluss mit seiner ganzen Familie – Frauen, Kinder, Enkel und Enkelinnen – getauft. Es war ein dreitägiges Tauffest, bei dem Neues mit Althergebrachtem inkulturiert und ganzheitlich zusammengeflossen ist. Und wie passend war es, dass Sia, der Leader, Abraham als seinen Taufnamen wählte, den Namen des Vaters einer grossen Sippe, den Vater des Glaubens.

Hoffnung geben, Mut machen
Während meiner fast 40 Jahre im pastoralen Einsatz war die Glaubenserneuerung in Ehe und Familie, Pfarrei und Diözese sehr wichtig. So wurde das gemeinsame Teilen des Wortes und Brotes gelebte Eucharistie. Auch Friede und Gerechtigkeit sind für mich von zentraler Bedeutung: Begleiten, Besuchen, Beraten, Beistehen, Mitgehen, Mittragen, Mitleiden. Ich bezeichne dieses Handeln als «Sakrament des Gegenwärtigseins und Gegenwärtigbleibens». Ich will Hoffnung geben und Mut machen. Miteinander, vom Evangelium her und mit dem Herz wollen wir Antworten auf konkrete Situationen suchen, so dass alle ihre Einmaligkeit und Würde einbringen und verwirklichen können. Wir bringen die Wechselbeziehung von Geben und Nehmen ins Spiel. Mann und Frau, Jung und Alt ergänzen sich zu einem wunderbaren Ganzen im Leib Christi als lebendige Kirche!

Niemand hat alles, aber alle haben etwas
Auf Grund meines pädagogischen Hintergrunds habe ich in der pastoralen Arbeit das Erzieherische, Heilende, Schöpferische und Ganzheitliche im Blick: Austausch ist für mich ein lebendiger, fragender, herausfordernder, lebenslanger Lernprozess. Auch hier spielt das Miteinander eine zentrale Rolle. Es geht darum, die verschiedenen Talente und Charismen aller einzubringen: Niemand hat Alles, aber alle haben etwas. Deswegen ist für mich Teamarbeit in der Konfliktverarbeitung, in Friedensprozessen und in der Beratungsarbeit entscheidend. Im Miteinander und Füreinander entwickeln wir Toleranz und Respekt. Wir schützen und bewahren das Individuelle. Auf diese Weise finden wir zur befreienden Wahrheit.
Wenn ich an die zahlreichen Opfer des Hexenwahns denke, wird mir erst recht bewusst, wie das Recht für mich als Getaufte und Gesandte mit Würde und Gerechtigkeit zu tun hat! Leben in Fülle zu vermitteln ist und bleibt das wichtigste Glaubenszeugnis.

Verkündigung jetzt
Wenn ich meinen Blick auf die weltweite Kirche öffne, steht wiederum das Evangelium im Zentrum: Es ist zugleich befreiende Botschaft, Friedensbotschaft, Gerechtigkeitsbotschaft und Wahrheitsbotschaft. Die Kirche ist herausgefordert, Fragen wie Gewalt und Terror, den Flüchtlingsstrom und den weltweiten Skandal der sexuellen Gewalt und Macht grundsätzlich und überzeugt aufzuarbeiten. Als Franziskanerin möchte ich zusammen mit Franziskus aufrufen: Lasst uns beginnen, Brüder und Schwestern! Bis heute haben wir noch kaum angefangen wirklich zu verkünden! Das neue Gebot, den neuen Menschen als Abbild Gottes zu sehen, nehmen wir kaum ernst!

Himmel ist für mich nicht ein fernes Ziel, sondern eine Realität die jeden Tag ein Stück weit wahr werden kann!



Bruno Hübscher – Schweiz

Mission fängt bei uns selbst an!

Bruno Hübscher-Jucker, 49-jährig, aufgewachsen in Wohlen/AG, arbeitete mehrere Jahre bei einer Grossbank als Privatkundenbetreuer. Von 1994–1996 lebte er in einem Friedensdorf in Israel und arbeitete später Teilzeit als Lastwagenchauffeur. Danach folgte die Katechetenausbildung in Luzern mit Pfarreieinsätzen in Kriens und Sempach. Nach der Theologieausbildung am Dritten Bildungsweg leistete er zusammen mit seiner Familie einen pastoralen Einsatz in den Philippinen (www.familyhuebscher.blogspot.com). Danach Pfarreieinsätze als Diakon in Grosswangen und Nottwil. Seit 2016 ist er der katholische Behindertenseelsorger des Kantons Luzern (https://www.lukath.ch/behindertenseelsorge/).

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«Mission fängt bei uns selbst an!»

Von 2005 bis 2008 war ich mit meiner Familie in einem pastoralen Einsatz mit der Bethlehem Mission Immensee im nördlichen Bergland auf den Philippinen. Unsere Aufgabe war es, beim Entstehen gut funktionierender Basisgemeinden mitzuhelfen. Der Priestermangel in jenem Gebiet war gross und so beschloss der damalige Bischof Claver, dass er die Laienmitarbeit stärken, indigene Inkulturation, solidarisches Handeln, den Einsatz für Menschenrechte und die Bewahrung der Schöpfung fördern wollte. Wir durften uns kritisch in diesen Prozess einbringen, damit für die Philippinos ein kultureller Austausch möglich wurde und wir voneinander lernen konnten.

Diese Zeit war in vielerlei Hinsicht fruchtbar für uns (unser drittes Kind Philipp wurde dort geboren …). Wir lernten, dass gut funktionierende Basisgemeinden Korruption bekämpfen können und kirchliches Leben an Bedeutung gewinnt, wenn sich die Menschen mit ihren Lebensthemen und ihren Vorstellungen von Gottesdienst einbringen können. Auch gelang es vielen Basisgemeinschaften gut, Schwächere und Bedürftige mitzutragen.

Von den Philippinen in die Schweiz
Zurück in der Schweiz versuchte ich, an meinen neuen Wirkungsorten in verschiedenen Pfarreien, etwas von diesem erfahrenen basisgemeindlichen Leben weiterzugeben. Das erwies sich als schwierig, da wir es in der Schweiz gewohnt sind, dass Priester, Theologinnen oder Theologen die Gottesdienste und das Pfarreileben leiten und organisieren und sich Pfarreiangehörige eher als Konsumierende denn aktiv Mitwirkende verstehen. Ein wirkliches Umdenken wird noch viel Zeit brauchen. Aber ich bleibe guten Mutes und am Ball!

Als meine persönliche «Mission» verstehe ich mein Mitwirken bei lokalen diakonischen Aufgaben. Ich helfe freiwillig mit bei der Integration von Flüchtlingen in unserem Dorf und mache Einsätze in einer Sterbebegleitgruppe in unserer Region. Als Behindertenseelsorger des Kantons Luzern helfe ich mit bei Gottesdiensten an heilpädagogischen Schulen und in Behinderteninstitutionen.

Wir brauchen Begeisterung!
Hier ist mir wichtig, dass wir einander die biblischen Geschichten erzählen, sie nachspielen und in Beziehung zu unserem Leben setzen. Ich habe erfahren, dass ein solcher Austausch spannender als jede Predigt ist und die Menschen beteiligt und bewegt werden. Es tut ihnen und mir gut, wenn wir über uns selbst, unseren Glauben und das Wirken Gottes in unserem Leben austauschen und uns gegenseitig Hoffnung zusprechen können. Ich hoffe sehr, dass Reformen auf der Ebene der Weltkirche solche alltagsnahen Ansätze stärken und unterstützen werden. Dazu braucht es nicht unbedingt geweihte Seelsorger, wohl aber die Begeisterung von Menschen.

 



Br. Joseph Madanu – St-Maurice, Schweiz

Sich um die Ärmsten und Kleinsten kümmern

Br. Joseph Madanu (34 Jahre) ist Kapuziner. Er stammt aus Südindien (Telangana). Seit neun Jahren lebt er in der Schweiz. Während seiner Ausbildung in Indien wurde er von seinen Ordensoberen in die Schweiz gesandt. Sein theologisches Studium schloss er mit einem Master-Abschluss in Freiburg ab. Nach einem einjährigen Praktikum in Delsberg wurde er im Januar 2016 in seinem Heimatdorf in Indien zum Priester geweiht. Seitdem ist er Guardian der Kapuzinergemeinschaft in St-Maurice. Er ist auch Seelsorger des Altersheims in St-Maurice und des «Mouvement Franciscain Laïc» (MFL) in der Westschweiz.

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«Sich um die Ärmsten und Kleinsten kümmern»

Missionarisch sein in der Schweiz

Natürlich freute ich mich in die Schweiz zu kommen. Aber meine Ankunft im Land war trotzdem nicht ganz einfach: die Sprache lernen, mein Studium in Französisch weiterführen, die Essgewohnheiten, etc. Aber nach einer gewissen Zeit funktionierte die Inkulturation und es gelang mir, mich an den Rhythmus des Landes anzupassen. Von da an gefiel mir meine Mission in der Schweiz immer besser!
Wie jeder Getaufte bin auch ich gesandt. Und ich habe ein grosses Bedürfnis, meine Batterien täglich bei Jesus aufzuladen, durch das Wort, die Eucharistie und das Gebet.
Mein Glaube hat nicht in erster Linie mit Wissen und Erkenntnis zu tun. Vielmehr ist er ein permanentes, spirituelles Hinterfragen: Wer ist Jesus für mich?
Als Mitglied des Kapuzinerordens bin ich in erster Linie aufgerufen, das spirituelle Wachstum der Gläubigen zu fördern. Ich möchte die Menschen erreichen, bevor sie sich an mich wenden. Ich nehme mich ihrer Zerbrechlichkeit an, indem ich ihnen zuhöre, sie begleite, Zeugnis ablege und ihnen die Sakramente spende.

Wir dürfen nie vergessen, dass nicht nur die zwölf Apostel ausgesandt worden sind.
Durch die zwölf Apostel hat Jesus die ganze Kirche ausgesandt. Wir sind die Kirche. Als Getaufte sind wir alle berufen und gesandt.
Wir dürfen darauf vertrauen, dass eigentlich Gott den grossen Teil der Arbeit leistet; er handelt in den Herzen der Menschen, denen wir auf unserem Weg begegnen.
Wir sind aufgefordert, Werte zu fördern: Austausch, Solidarität, Respekt vor der Würde der Menschen, insbesondere der Schwächsten. An unserem Zeugnis wird man uns als Jüngerinnen und Jünger Christi erkennen. All dies hat Jesus mit den Worten zusammengefasst: «Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!».

«Missionarisch sein» bedeutet nicht nur «geben», sondern auch «empfangen», denn «in der Hingabe empfangen wir», so wie wir es im Gebet lesen können, das dem Heiligen Franziskus von Assisi zugeschrieben wird.



Fernando Torres – Bogotá, Kolumbien

Die göttliche Pädagogik ins Spiel bringen

Fernando Torres (geboren 1951 in Anzoátegui-Tolima) hat Pädagogik, Philosophie und Literatur in Bogotá, Theologie und Bibelwissenschaften in Costa-Rica und Brasilien studiert. Seit seiner Jugendzeit ist er in verschiedenen christlichen Gruppen und Bewegungen aktiv, jetzt als Erwachsenenbildner, eine Funktion, die er als Berufung bezeichnet. Er ist Co-Leiter von Kairós Educativo, einer Organisation für Gemeinschaftsbildung in Bogotá

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«Die göttliche Pädagogik ins Spiel bringen»

Eines Tages entdeckte ich zuhause in einer Kartonschachtel eine vergessene Bibel. Diese Entdeckung hat bei mir tiefe Spuren hinterlassen!

Ich war damals vierzehnjährig und hatte eben den Roman «Hundert Jahre Einsamkeit» von Gabriel García Márquez zu Ende gelesen. Ich fand in der Bibel viele wunderbare Geschichten, die den Geschichten der Familie Buendía im Roman in ihren harten generationenübergreifenden Kämpfen um die Erhaltung des Familienlebens irgendwie ähnlich sind.
Die Geschichten der Bibel waren nicht wirklich anders als unsere Geschichten: Es sind Erinnerungen an Frauen und Männer, an Gemeinschaften [...], die Städte der Zuflucht schafften, Land und Macht verteilten, die guten Taten Gottes für die Armen sangen, Propheten hervorriefen, die Ungerechtigkeiten anprangerten, Hoffnung bei Übergriffen, Exil und Gefängnis gaben... So kommt die göttliche Pädagogik ins Spiel: in der Gemeinschaft lernen, was Gott mitten im täglichen Kampf um Leben und Würde sagt und tut. Diesen Willen und dieses Projekt, die menschlich machen, gilt es zu erkennen, damit sie zu der Mission werden, die ich «in einer Kartonschachtel» entdeckt und empfangen habe, und die mich angetrieben hat, mich wie ein Jünger in die Eingeweide der biblischen Erzählungen aufzumachen, so wie ich in das lateinamerikanische und karibische Macondo von «Hundert Jahre Einsamkeit» eingetaucht war.
Der Friede bleibt unser Thema, unsere Sorge, unsere Aufgabe. Seit unserer Kindheit tragen wir die Geschichten und Bilder von massakrierten Menschen und Völkern in uns; wir wissen fast nicht, wie wir sie verarbeiten und überwinden sollen.

An den Frieden glauben
Aber die Mission geht weiter. Sie ist wie eine Herausforderung, die wir jeden Tag von unten angehen, da, wo Kraft und Hoffnung nicht erlöschen. Wir glauben weiterhin an den Frieden und schaffen ihn wo immer möglich. Das ist unsere Mission und unser Engagement für das Leben, für Familien und Gemeinschaften, für Frauen, Kinder und Jugendliche, mit denen wir träumen und vorwärtsgehen.
Wir stehen im kirchlichen Frühling, den Papst Franziskus fördert und vorantreibt. Es waren vierzig Jahre von Verfolgung und Schmerz, von Verdacht und Bedrohung, von Sanktionen und Ermittlungen, von Skandalen und Vertuschungen. Da aber war die Kirche der Armen, wie in der Zeit der Katakomben. Sie folgte treu dem Evangelium Jesu, den neuen Orientierungen des Konzils und der Konferenz von Medellin.
Jetzt ist es an uns, diese Glaubenserinnerungen zurückzugewinnen, sie sichtbar zu machen, sie zu verbreiten und sie zu feiern, so dass die neuen Generationen sich vertrauens- und hoffnungsvoll, in Treue und Ehrlichkeit darauf beziehen können und sich getragen fühlen, wenn sie die Herausforderung des Lebens mit Freude, Vertrauen und Grosszügigkeit angehen. Ich habe die Mission, beim Bau der Brücke zu helfen, welche die Erinnerungen mit dem Ausbruch des neuen kirchlichen Frühlings verbindet.

Der Frühling der Kirche
Dieser Frühling wächst dank Papst Franziskus dort, wo das Engagement der Frauen für ihre Rechte in der Kirche, der Gruppen für den freiwilligen Zölibat und das Priesteramt für Verheiratete, der Bewegungen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung wirkt; in den Laiennetzwerken für die Entpatriarchalisierung und Entklerikalisierung der Kirche, für die Überwindung erstarrter Kirchenstrukturen, im Prozess der integrativen Synodalität, die von der Vitalität und Vielfalt der Kirche im Amazonas ausgeht. Heute haben wir den Auftrag, diesen kirchlichen Frühling weiterzuführen, damit endlich die Träume von Papst Johannes XXIII. und von all denen wahr werden, die sich, wie er, über das Aufkommen einer missionarisch und österlich vorwärtsschreitenden Kirche der Armen freuten



Antoinette Sakr – Libanon

«Blühe dort, wo Gott dich hingesetzt hat...»

Antoinette Sakr ist 49-jährig, verheiratet mit Jirji El Joukhadar und hat zwei Kinder (16 und 21), die sich noch in der Ausbildung befinden. Neben vielen anderen Aktivitäten unterrichtet sie zukünftige Lehrpersonen in Pädagogik. Bei Missio Libanon arbeitet sie freiwillig für den Kinder- und Jugendbereich. Antoinette ist Maronitin, während ihr Mann der griechisch-orthodoxen Kirche angehört. Die ganze Familie geht in die katholische Kirche.

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«Blühe dort, wo Gott dich hingesetzt hat...»

Ich bin in einer Grossfamilie aufgewachsen: Wir waren sieben Mädchen und ein Bub. Ich erinnere mich gut, wie meine Schwestern und ich ins heilige Tal zur heiligen Felsenhöhle des heiligen Antonius des Grossen gefahren sind und dort um einen Bruder gebeten haben. Unser Wunsch wurde erhört: Antonio, unser Bruder, ist 1975 zur Welt gekommen, mitten im libanesischen Bürgerkrieg. Während der Sommerzeit, die ich jedes Jahr in unserem Dorf verbrachte, betete ich auf dem Weg zur Becharée-Kirche jeden Tag den Rosenkranz des Heiligen Kreuzes.

Ein langer Krieg
Mit meiner Familie beteten wir, dass der Krieg aufhöre. Wir haben alles verloren in dieser Zeit, unseren materiellen Besitz, aber auch Freunde, Cousinen, Cousins und unsere Nachbarn. Eines Tages aber habe ich mit meinen eigenen Augen Christus gesehen: Er war da, auf einer weissen Wolke; alles war so friedlich und ruhig. Christus hat zu mir gesagt: «Der Krieg geht weiter, aber ihr werdet nicht getroffen werden.» Ich erinnere mich sehr gut an seine blauen Augen. Während zwei Tagen habe ich nur diese blauen Augen gesehen. Dann habe ich verstanden, dass es eine Zeit nach dem Krieg und dem Elend geben wird. Die Hoffnung und der Frieden Christi begleiten mich durch mein ganzes Leben.
In unserer Familie bemühten wir uns, Menschen mit einem absoluten Vertrauen in Christus und in den Schutz der Muttergottes Maria zu werden.
Seit 2015 arbeite ich als pädagogische Fachfrau in der Schule Heiliger Franziskus von Assisi. Sie befindet sich ganz nahe an der Grenze zu Syrien. Unsere Regierung vernachlässigt diese Gegend. Ich unterrichte ausserdem zukünftige Lehrerinnen in den öffentlichen technischen Schulen. Die meisten Schülerinnen sind Musliminnen. Als Lehrperson habe ich die Aufgabe den jungen Frauen die christlichen Werte auf diskrete Art und Weise zu vermitteln: Sie sollen lernen, unter sich offen zu sein, die Anderen trotz den Unterschieden zu akzeptieren, sich gegenseitig zu vergeben und die Aufgaben mit Überzeugung anzupacken. Ich versuche, sie wegzuführen vom Rassismus und ihnen zu helfen, die christlichen Werte aufzunehmen. Während 23 Jahren leitete ich eine Schule für Kinder im Vorschulalter. 2015 hat Gott gewollt, dass ich einen neuen Weg einschlage. Er hat mich als pädagogische Fachperson ganz in den Norden des Libanon, nach Menjez Akkar gesandt.
Heute sorge ich mich darum, dass die Schülerinnen und Schüler aus mittellosen Familien richtig ausgebildet werden. Mein Pädagogikstudium, das ich in Paris vertiefen durfte, hilft mir bei dieser Aufgabe.
Meine Begegnung mit der Enfance missionnaire (Bereich Kinder und Jugend von Missio) ist nicht zufällig geschehen: Gott hat alles vorgesehen! Auf der anderthalbstündigen Fahrt von zuhause bis zur Schule Heiliger Franziskus bete ich den Rosenkranz und danke dem Heiligen Geist, dass er mich auf meinem Weg begleitet.
Ich habe zwei Kinder. Giorgio ist 21 Jahre alt und studiert Medizin, bereits im fünften Jahr. Padoue ist 16 und geht ins Gymnasium. Mit meinem Mann haben wir versucht, ihnen die christlichen Werte und den Glauben zu vermitteln. Wir haben jeden Morgen gebetet: «Guten Morgen, lieber Gott, Vater und Erlöser, Dein Wille geschehe». Und jeden Abend haben wir gedankt: «Hab Dank für den schönen Tag. Ich werde dich Morgen noch mehr lieben und dich besser kennenlernen als heute».

Missionarisch wirken
In der Pfarrei haben wir es uns zum Ziel gesetzt, die Jugendlichen zu ermutigen, sich in Aktivitäten zu engagieren, die christlich geprägt sind. Die maronitisch katholische Kirche ist sehr engagiert im Libanon: Sie predigt die Vergebung, die Aufopferung und den Glauben an unseren Schöpfer. Unsere Kirche ermutigt unsere Jugendlichen, eine aktive Rolle zu übernehmen und damit missionarisch zu wirken. Auch wenn immer wieder zahlreiche Hindernisse und Schwierigkeiten auftauchen, will unsere Kirche überleben, indem sie die jungen und praktizierenden Gläubigen unterstützt und trägt. Weltkirchlich sind wir Papst Franziskus im Gebet verpflichtet. Die Last für Franziskus ist schwer, aber er verliert weder die Hoffnung, noch sein friedliches Lächeln, noch seinen jungen Geist, mit dem er die Kirche zu den Mitmenschen, zur Vergebung und zur Aufopferung führt. Wir wollen ihn dabei unterstützen und dazu beitragen, dass die Kirche als Abbild Christi ihr vorbildliches Image behält. Meine Mission kann ich entsprechend mit diesen Worten zusammenfassen: «Blühe dort, wo Gott dich hingesetzt hat… Der Wille des Schöpfers geschehe!»

Ich bleibe im Libanon!
In diesem Land, das vom Bürgerkrieg erschüttert wurde, wo die Wirtschaftskrise, Terrorismus und Korruption wüten. Trotz dieses schrecklichen Umfelds hat der Libanon in mir den Glauben, die Hoffnung und den Frieden Christi gesät. Deshalb heisst meine Mission: im Libanon blühen, die Liebe Christi verbreiten und mich dem göttlichen Willen hingeben. Ich hoffe, dass ich meine Mission bis zum Ende meines Lebens souverän weiterführen kann!



Br. William Ngowi OFMcap – Tansania

«LÄMMER UND SCHAFE HÜTEN UND SICH UM SIE SORGEN»

Br. William Ngowi ist Kapuziner. Er ist Professor für Bibelwissenschaften an der katholischen Jordan University in Morogoro, die von mehreren Ordensgemeinschaften getragen wird. Sie hat grossen Zulauf, auch von muslimischen Studierenden. Er unterrichtet ausserdem am Priesterseminar. Im Rahmen des Monats der Weltmission 2012 war Br. William auf Einladung von Missio Gast in der Schweiz.

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«Lämmer und Schafe hüten und sich um sie sorgen»

Ich und mein missionarischer Auftrag

•   Als Priester erfülle ich den Aufruf Jesu an Petrus, seine Lämmer und Schafe zu «hüten und sich um sie zu sorgen» (Johannes 21,15-19): Ich feiere die Sakramente, im Besonderen die Eucharistie, und andere Gottesdienste, welche die Lämmer und Schafe, d.h. die Kirche, stützen und heiligen.

•   Ich kümmere mich aber auch um seine Herde, wenn ich Bibelunterricht gebe, zu biblischen Themen forsche oder Publikationen herausgebe, Vorträge zu spirituellen Fragen und Exerzitien anbiete, sei das für Einzelpersonen oder Gruppen, oder wenn ich mich als Beratungsperson zur Verfügung stelle.

•   Ich unterrichte Theologie für die Seminaristen, die sich auf ihren Dienst als Seelsorger vorbereiten. Damit erfülle ich die Aufgabe, die Jesus den elf Jüngern übertragen hat (Mt 28,19-20).

Missionarisch in Gemeinschaft und Pfarrei

Ich bin zwar in erster Linie als Universitätsprofessor tätig, aber als Kapuziner übernehme ich auch alle pastoralen Aufgaben, die wir als Gemeinschaft haben.

•   Wir sind für alle seelsorgerischen Dienste in einer Pfarrei verantwortlich, zu der Aussenstationen mit mehreren Dutzend Kleinen Christlichen Gemeinschaften gehören.

•   Wir leiten verschiedene Gruppen für Erwachsene und Jugendliche in der Pfarrei.

•   In der Umgebung unseres Klosters bieten wir Schwesterngemeinschaften geistliche Exerzitien und Orientierungshilfen an.

Unser Engagement in der Weltkirche

Unsere Kapuzinerprovinz in Tansania und ich als Mitglied bemühen uns, unseren Auftrag in der Weltkirche zu erfüllen:

•   Als Seelsorger in Pfarreien und Aussenstationen, für Schwesterngemeinschaften, Schulen, Krankenhäuser und Bildungszentren, als Leiter von Exerzitien und Kursen. Ausserdem sind die Erzbischöfe von Dar es-Salaam und Dodoma aus unserer Provinz.

•   Als Missionare in Ländern wie Papua-Neuguinea, Südafrika, Malawi, Sambia, Kenia, USA, Italien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

•   Als Lehrpersonen im In- und Ausland an Hochschulen und in Tansania an Primar- und Sekundarschulen. Unsere Provinz besitzt vier Schulen.

•   Als Krankenpfleger und Ärzte in Krankenhäusern.

Kurz gesagt setzen meine Mitbrüder und ich mit unserem Wirken das Leitwort «Getauft und gesandt» um:

•   Als Seelsorger wirken wir in der Erstevangelisierung: Verkündigung des Wortes, Katechese und Feier der Sakramente.

•   Mit unserer Bildungsarbeit sind wir in der Zweitevangelisierung engagiert: Wir bilden in den Seminaren zukünftige Seelsorger aus. Durch unsere Lehrtätigkeit in Bildungseinrichtungen erklären und vertiefen wir den christlichen Glauben.

Vor allem aber bezeugen wir durch unser Leben und unseren Einsatz den christlichen Glauben im Sinne von Papst Franziskus, wenn er sagt, dass «Evangelisierung nicht gleich Proselytismus ist».